Denken in Worten und Bildern fundiert den künstlerischen Arbeitsprozess. Wort- und bildsprachliches Denken kennt keine Schranken, führt vom Nachdenken zum Weiterdenken
Für Sigurd Saß ist Anlass zum Weiterdenken unter anderem Kasimir Malewitsch, der 1915 mit seinem Bild "Schwarzes Quadrat auf weißer Bildfläche" eine Ikone der Avantgarde-Kunst schuf und mit ihr den Beginn einer radikal gegenstandslosen Malerei. Auf dem Bild scheint ein schwarzes Quadrat zu schweben, bodenlos, horizontlos. Der Künstler verwandelte eine gemalte Bildfläche in einen imaginären Bildraum, der über die Grenzen des rechtwinkligen Formats ins grenzenlos Offene hinausweist. Auf diese Weise eröffnete er der zeitgenössischen Kunst eine spirituelle Dimension und eine meditative Zugangsweise.
Sigurd Saß nimmt die "suprematistische Phase", wie Malewitsch sie nannte, zum Ausgangspunkt, um von hier aus eine komplexe Darstellungsweise unseres Wirklichkeitsbewusstseins zu entwickeln.
Er experimentiert mit unterschiedlichen Form- und Farbelementen, Symbolformen, realistischen Abbildungsfragmenten u.a., die er in einen sich gegenseitig befragenden und bedeutenden Wirkungszusammenhang stellt.
Für den Betrachter sind es zunächst ungewohnte Innovationen. Aber bei genauem Hinsehen entdecken wir einen inneren Dialog zwischen Wirklichkeitsdarstellungen in unterschiedlichen Abstraktionsgraden und Symbolisierungen.
Diese Konfrontation differenzierter menschlicher Bewusstseinsformen durch visuelle Zeichen in einem Bild, erzeugt einen emotionalen und kognitiven Spannungszustand. Sie fordert den Betrachter auf, sich an dem bildimmanenten Dialog zu beteiligen. Die Wirklichkeit wird nicht mehr unter nur einem Aspekt, aus nur einer Perspektive, in nur einem Sprachmuster wahrgenommen, sondern in ihrer Komplexität, Vielschichtigkeit und Vieldeutigkeit simultan in einem Bildzusammenhang dargestellt.
Auszüge aus: Dieter Welzel, Zu den Bildern von Sigurd Saß in Katalog Sasssigurd, BBK-Braunschweig, 2012. Professor D. Welzel ist ehemaliger Präsident der HBK Braunschweig.
Die Struktur meiner Bilder entwickelt sich aus dem Zusammenspiel verschiedener Sprachstile. Das ist keine Unentschiedenheit oder Willkür. Diese Struktur verkörpert die Lust an der Erkundung des eigenen Geistes.
So wie vor etwa 100 Jahren Pablo Picasso, Georges Braque, Kurt Schwitters, Hanna Höch und andere die Kollage in die Bildrealität einführten, stellt die Einführung eines geometrisch-mathematischen Codes eine gezielte Strategie dar. Weitergehend als bei der Kollage, die im Sinn einer assoziativen Verbindung die Gehirnaktivität des Betrachters herausfordert, zielt dieses System hier auf die Aktivierung sehr unterschiedlicher Denkstrukturen.
Mit der Gegenüberstellung von logischem Denken und von Erleben und Gefühl bestimmten Denkaktionen, entsteht eine Art geistiger Raum. Es ist der Denkraum des Betrachters. Wir erleben so auf eine sehr aktive und inspirierende Weise die Erlebens- und Erkenntnispotentiale unseres Bewusstseins.
Man kann die Wirklichkeit der Welt in der Fülle der Bilder suchen, die uns jeden Tag begegnen. Man kann jedoch auch einen Schritt darüber hinaus machen und - indem man diese Bilder als Spiegelbilder betrachtet, die in unserem Geist auftauchen - die Wirklichkeit im Spiegel selbst suchen, in der Natur unseres Geistes. Ich erlebe es als spannendes Unterfangen, zu erkunden, wie sich unser Geist ein Bild von der Wirklichkeit macht, bzw. die Welt konstruiert.
Indem unterschiedliche Erkenntnismethoden im Bild in einen Dialog zueinander treten, offenbaren sie die Lust des Geistes an der Entdeckung und Erkundung seiner sich selbst erkennenden Möglichkeiten.
Die Idee der gemalten Bilder ist, den von mir erlebten geistigen Raum so zu realisieren, dass er auch für andere erlebbar wird.
Sasssigurd 2012
© Sigurd Saß 2008